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Gestern musste ich wieder an Schmidt denken. Denn gestern bekam ich eine E-Mail von Editus (dem Herausgeber von Telefonbüchern in Luxemburg), in der vor den betrügerischen Aktivitäten eines Anbieters (nutzloser) Online-Anzeigen gewarnt wurde.
Viele Kunden, so stand in der E-Mail, hätten sich über dessen aggressive, an Belästigung grenzende Verkaufsmethoden beschwert.
Das erinnerte mich an zwei Vertreter, nämlich - ironischerweise - an eine Dame von Editus und eben an Schmidt.
Zur Editus-Beraterin gibt es nicht viel zu sagen, kurz nach der Gründung unseres Unternehmens meldete Sie sich telefonisch und lies sich nicht davon abhalten, persönlich vorbeizuschauen. In dem Verkaufsgespräch war ich ihr als frischer Uni-Absolvent gnadenlos unterlegen. Bedenkzeit? Geht nicht, würde sie den Auftrag nicht sofort bekommen, wäre eine Aufnahme in das nächste Telefonbuch nicht mehr möglich.
Vielleicht stimmte das ja, ich habe es nie überprüft. Die teure Anzeige erwies sich als weitgehend nutzlos und im nächsten Jahr machten wir der Vertreterin klar, dass sie - wenn sie denn unbedingt darauf bestand - gerne vorbeikommen dürfte, wir aber garantiert keinen kostenpflichtigen Eintrag mehr buchen würden. Sie verzichtete dann auf den Besuch.
So einfach ging das bei Schmidt nicht, denn Schmidt kündigte sich grundsätzlich nicht vorher an. Eines Tages stand er einfach mit seinen Produkten vor der Tür (vielleicht war ihm unser luxuriöser Eintrag im Telefonbuch aufgefallen).
Schmidt hieß nicht wirklich so, aber der Name passte irgendwie zu ihm. Er trug gerne billige Plastikanzüge und schwitzte entsprechend bei jedem Wetter. Das Foto oben kommt ihm recht nahe, er war einerseits abstoßend, andererseits musste man einfach Mitleid mit ihm haben. Bei seinem ersten Besuch war ich so überrumpelt, dass ich ihm allerlei Zeugs abgekauft habe.
Als Schmidt kurze Zeit später wieder unangemeldet vor der Tür stand, habe ich ihm ausführlich die Funktionsweise und die Vorteile eines Telefons erklärt. Vielleicht, so dachte ich, hatte das zuvor einfach niemand getan und es war ihm nun zu peinlich, jemanden zu fragen. Leider hat Schmidt trotzdem nie telefonisch einen Termin vereinbart. Ein Mal rief er an und teilte mir mit, dass er in 10 Minuten eintreffen würde. Bei seinem Besuchsversuch in der Woche vorher hatte meine Kollegin ihn nämlich an der Tür abgewiesen und ihm erzählt, ich wäre auf Geschäftsreise (ich konnte dann den Rest des Tages nicht mehr ans Telefon gehen).
In einem größeren Unternehmen würde man einen Typen wie Schmidt vermutlich den halben Tag in einem fensterlosen Raum bei kaltem Kaffee auf seinen Gesprächspartner warten lassen. Diese Möglichkeit hatte ich in unserer kleinen Firma leider nicht.
Versucht habe ich vieles:
Nichts davon half, er fuhr weiterhin Hunderte von Kilometern um in den unpassendsten Momenten meine Zeit zu stehlen.
Mir wurde klar, dass ich nur eine Chance hatte: Schmidt musste seine eigene bittere Medizin kosten. Ich musste ihn zu etwas überreden, was seinen Interessen widersprach. Dieses sonst nur seinen Kunden bekannte unangenehme Erlebnis würde ihn hoffentlich von weiteren Besuchen abhalten.
Das klang in der Theorie schlüssig, aber wie sollte ich dies umsetzen? Ihm selber Waren anderer Hersteller zu verkaufen war so aussichtslos wie der Versuch, Michael Moore mit manipulierten Videoaufnahmen in die Enge zu treiben. Vermutlich hatte Schmidt ohnehin kein Geld dabei.
Am Ende habe ich ihm immerhin ein Steckernetzteil abgeschwatzt, kostenlos. Seinen mitleidigen Widerstandsversuch ("das kostet eigentlich 26€") habe ich in gewohnter Schmidt-Manier so interpretiert, wie es mir passte ("danke, sehr nett von Ihnen").
Ich bin noch mit ihm zu seinem Auto gegangen, um meine Trophäe in Empfang zu nehmen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.